Seit einigen Jahren ist der Begriff der Agilität in Unternehmen zunehmend bekannter geworden – nicht nur in IT- und Start-Up Unternehmen sondern auch in Industrieunternehmen. Mit dem Schlagwort „Agilität“ werden häufig besondere Denkweisen, Strukturen, Prozesse und Methoden verbunden, die eine schnelle Reaktion auf sich verändernde Rahmenbedingungen (VUCA-Welt) unterstützen. Ein hoher Anteil ungeplanter Anlagenausfälle, deutlich verlängerte Ersatzteillieferzeiten wären daher eigentlich Anlass genug, sich auch in der Instandhaltung intensiver mit dem Thema Agilität zu beschäftigen. Unsere Wahrnehmung ist jedoch, dass in den Instandhaltungsbereichen die mit Agilität verbundenen Veränderungen noch nicht „angekommen“ sind. Die Frage ist daher: Wieviel Agilität benötigt die Instandhaltung zusätzlich?
Was ist Agilität in der Instandhaltung?
Agilität in der Instandhaltung ist die Fähigkeit der Instandhaltungsorganisation, Veränderungen (z.B. neue gesetzliche Auflagen, Ablösung von Ersatzteilen, geänderte Anlagenausfallverhalten) frühzeitig zu erkennen, die notwendigen Maßnahmen abzuleiten und zum „richtigen“ Zeitpunkt umzusetzen, so dass durchgängig eine optimale Organisationsleistung erbracht wird.
Bei Agilität geht es also darum, durch proaktives Handeln jederzeit das Richtige zu tun und somit die Effektivität im betrachteten Organisationsbereich zu maximieren.
Veränderungen gab es schon immer und die Instandhalter haben auf diese natürlich auch schon in der Vergangenheit reagiert. Die Frage für die eigene Organisation ist jedoch, ob die vorhandenen Strukturen, Prozesse, Methoden/Tools und die Unternehmenskultur auch im derzeitigen Umfeld (hier sei nur das Schlagwort VUCA-Welt genannt) ausreichend sind. Dies kann jedes Unternehmen nur für sich ganz individuell festlegen.
Bedarf an mehr Agilität in der Instandhaltung feststellen
Hilfreich in der thematischen Auseinandersetzung ist hierbei die „neue“ Stacey Matrix. In der „neuen“ Stacey Matrix werden die Anforderungen / Aufgaben der Instandhaltung (z.B. Planung des Jahresstillstands, Durchführung einer Instandsetzung, festlegen der optimalen Instandhaltungsstrategie) bewertet hinsichtlich der Eindeutigkeit und der Klarheit des Umsetzungspfads (Wie wird die Anforderung / Aufgabe bearbeitet?).
Nach Eingruppierung aller Anforderungen / Aufgaben werden diese üblicherweise in 4 Cluster unterteilt.
Einfach:
- Eindeutige Aufgabe und klare Vorgehensweise zur Bearbeitung
- Einfache Kausalität zwischen Ursache und Wirkung
- Hier gibt es Best Practices, Verfahrensanweisungen, etc.
- Einsatz agiler Methoden ist nicht notwendig
- Beispiel: Durchführung gesetzlich vorgeschriebener Inspektions- und Wartungsarbeiten wie DGUV-A3 Prüfung
Kompliziert:
- Anforderung und/oder Lösungsweg sind unklarer
- Komplexere Kausalität zwischen Ursache und Wirkung
- Einsatz von agilen Methoden möglich, die im Einzelfall zu prüfen sind. Z.B. Nutzung von KANBAN zur Planung und Koordinierung der Arbeiten, stärkere Dezentralisierung von Entscheidungen
- Beispiel: Komplexe Instandsetzung einer Anlage mit Ursachenanalyse und Koordinierung mehrerer Gewerke, Planung und Durchführung einer Jahresüberholung
Komplex:
- Viele Einflußfaktoren
- Keine eindeutige Wechselwirkung zwischen Ursache und Wirkung
- Einsatz von agilen Methoden wie z.B. SCRUM, OKR oder „neuer“ Technologien wie Maschine Learning
- Beispiel: Komplexe technische oder organisatorische Projekte, Optimale Instandhaltungsstrategie bei neuer Anlagentechnologie festlegen
Chaotisch:
- Viele Einflußfaktoren sehr unklare Aufgabenstellung
- Keine eindeutige Wechselwirkung zwischen Ursache und Wirkung
- Beispiel: Entwicklung einer neuen Technologie. Tritt in der Instandhaltung eher nicht ein
Wie Eingangs kurz skizziert, gibt es nicht die eine Lösung für den Instandhaltungsbereich. Unser Empfehlung ist daher, sich einmal kritisch mit dem Thema Agilität zu beschäftigen und abzuschätzen, welche positiven Auswirkungen der Einsatz agiler Methoden auf den eigenen Bereich haben könnte. Neben der Stacey Matrix helfen auch diese weiterführenden Fragen:
- Gibt es häufiger Änderungen im Projektauftrag, der Projektlaufzeit und Budgetanpassungen?
- Sind in der Vergangenheit Doppelarbeiten entstanden, weil die Abstimmung zwischen den Gewerken oder externen Dienstleistern nicht optimal war?
- Gibt es regelmäßig Wartezeiten oder Verzögerungen, weil Entscheidungsträger nicht sofort verfügbar sind?
- Sind die Stakeholder nicht zufrieden mit der umgesetzten Lösung; sind Nachbesserungen erforderlich?
Wenn Sie diese Fragen teilweise mit „Ja“ beantwortet haben, sollten Sie sich überlegen, ob nicht der Einsatz agiler Methoden hilfreich ist. Letzlich soll durch den Einsatz agiler Methoden die Effektivität weiter gesteigert werden.
Weiterführende Literatur
- Stacey, R.: Strategic Management and Organisational Dynamics: The Challenge of Complexity to Ways of Thinking About Organisations. Pearson Education Limited, 2010.
- Nowotny, V.: Agile Unternehmen – Nur was sich bewegt, kann sich verbessern. Business Village, 03/2018.
- Rose, D.: Das agile Unternehmen für Dummies. Wiley-VCH, 2019.
- Scherber, S., Lang, M.: Agile Führung: Vom agilen Projekt zum agilen Unternehmen. Symposion Publishing, 01/2015.