In Gesprächen mit Instandhaltungsleitern erhalten wir häufiger die Rückmeldung, dass man im Wesentlichen mit Störgeschäft beschäftigt sei und operative Hektik das Tagesgeschäft präge. Als Ziel und Wunschzustand wird in diesen Fällen angegeben, zukünftig doch mehr vorbeugende Instandhaltung zu betreiben. Doch was ist vorbeugende Instandhaltung und ist diese tatsächlich immer anzustreben?
Was ist vorbeugende Instandhaltung?
Von vorbeugender Instandhaltung spricht man, wenn Wartungsarbeiten regelmäßig wiederkehrend in festgelegten Zeitintervallen oder nach bestimmten Mengen oder ähnlich meßbaren Einheiten (zum Beispiel alle 2.500 Hübe bei einer Presse oder alle 6.000 cbm Durchfluß, …) an einer technischen Anlage durchgeführt werden.
Wartungsarbeiten sind Tätigkeiten, die den Abbau des vorhandenen Abnutzungsvorrats der Anlage verzögern. Darunter fallen z.B. Tätigkeiten wie die Reinigung, das Schmieren, Ölen, Nachstellen oder auch das Ergänzen. Typische Beispiele für Wartungsarbeiten sind somit:
- Entfernen von Spänen und Schmutz aus dem Arbeitsbereich einer CNC-Maschine
- Schmierung der Führungen und Kugelumlaufspindeln.
- Das Ölen der Kettensysteme in einer Verpackungsmaschine
- Das Ergänzen von Kühlmittel in einer CNC-Maschine
Die festgelegten Intervalle und die durchzuführenden Arbeiten entnehmen Sie bei Neuanlagen zunächst den Wartungsplänen des Herstellers. Dieser sollte die Wartungspläne idealerweise auf Basis seiner Erfahrungen oder den Rückmeldungen seiner Kunden entwickelt haben. Bis zum Ende der Gewährleistungsfrist sollten Sie dann ausreichend Daten gesammelt haben, um die Wartungspläne hinsichtlich der Intervalle und Inhalte optimal an die betrieblichen Gegebenheiten anzupassen. Idealerweise haben Sie bis dahin bereits die kritischen Einflussfaktoren identifiziert, die die Wartungsintervalle und -inhalte beeinflussen. Ggf. haben Sie aber auch schon vorher erkannt, dass die Wartungsintervalle nicht optimal auf die betrieblichen Gegebenheiten angepasst sind und haben darauf reagiert.
Spätestens nach Ablauf der Gewährleistungsfrist empfiehlt es sich, nicht nur die Wartungspläne zu optimieren, sondern gleich die gesamte Instandhaltungsstrategie zu überprüfen. Eine Möglichkeit, wie die Ableitung der Instandhaltungsstrategie durchgeführt werden kann, ist in dem Blogbeitrag „Die optimale Instandhaltungsstrategie bestimmen“ beschrieben.
Mit einer vorbeugenden Instandhaltung werden verschiedene Ziele verfolgt:
- Reduzierung des Risikos eines Anlagenausfalls (durch den proaktiven Tausch von Baugruppen und Wartungsarbeiten)
- Verlangsamung des Degradationsverhaltens der Anlage (durch die durchgeführten Wartungsarbeiten)
- Vermeidung von Folgeschäden durch einen ungeplanten Anlagenausfall
- Reduzierung der Instandhaltungskosten inkl. der mit einem Stillstand verbundenen Nichtverfügbarkeits-Kosten (Margenverluste)
- Erhöhung der Planbarkeit von Instandhaltungsarbeiten
Einsatzbereich einer vorbeugenden Instandhaltung
Eine vorbeugende Instandhaltung ist nicht für alle technischen Anlagen geeignet. Achten Sie insbesondere darauf inwiefern Kosten und Nutzen bei einer vorbeugenden Instandhaltung ein ungünstiges Verhältnis aufweisen. Dann sollten Sie nach alternativen Ansätzen suchen. Darüber hinaus bieten die folgenden Kriterien einen ersten Anhalt, ob die ausgewählte technische Anlage für eine vorbeugende Instandhaltung geeignet ist:
- Die technische Anlage weist ein gleichmäßiges Verschleißverhalten auf
- Das Ausfallverhalten der technischen Anlage ist bekannt
- Die technische Anlage wird gleichmäßig genutzt und belastet (# Bh, gleiche Umgebungsbedingungen, gleiche Produkte,….)
- Die Kosten für die Durchführung der vorbeugenden Instandhaltungsmaßnahmen sind gering
Letztlich bietet sich eine detaillierte Kosten-Nutzen-Betrachtung an, um die Wirtschaftlichkeit einer vorbeugenden Instandhaltung gegenüber alternativen Ansätzen nachzuweisen.
Vorteile
Darüber hinaus bietet eine vorbeugende Instandhaltung weitere Vorteile. Insgesamt sprechen 7 Aspekte für eine stärkere Nutzung einer vorbeugenden Instandhaltung:
- Der Durchführungstermin der Arbeiten wird mit dem Betrieb abgestimmt. Damit sind die betrieblichen Auswirkungen meist geringer als bei ungeplanten Ausfällen.
- Die durchzuführenden Arbeiten sind bekannt. Somit sollten die benötigten Ersatzteile und Mitarbeiter zur Verfügung stehen.
- Die benötigten Ersatzteile werden rechtzeitig zum abgestimmten Durchführungstermin bestellt. Eine Einlagerung ist also nicht notwendig. Somit kann der Lagerbestand an Ersatzteilen reduziert werden.
- Die gleichen Arbeiten werden regelmäßig wiederholt. Somit ist eine höhere Arbeitsqualität und effizientere Durchführung zu erwarten.
- Sollen die Arbeiten durch einen Instandhaltungsdienstleister erbracht werden, so kann dieser die Arbeiten exakt kalkulieren und als Festpreis anbieten– ein Risikozuschlag ist nicht zu erwarten.
- Das jährliche Budget für eine vorbeugende Instandhaltung ist genau kalkulierbar.
- Der Anteil ungeplanter Anlagenausfälle ist in der Regel geringer als bei einer reaktiven Instandhaltung.
Nachteile
Durch eine vorbeugende Instandhaltung können auch Nachteile entstehen und die erhofften positiven Effekte bleiben aus. Insbesondere, wenn die Ableitung der Wartungsintervalle und Wartungsinhalte nicht optimal auf die Betriebsgegebenheiten angepasst sind, kann dies zu negativen Effekten führen. Daher sollten Sie ein besonderes Augenmerk auf die folgenden Punkte zu haben
- Die Intervalle sind zu kurz gewählt. Dies führt zu …
- erhöhten Instandhaltungskosten (Personal, Material)
- einem erhöhten Ausfallverhalten aufgrund von Frühausfällen
- Erhöhter Planungs- und Abstimmungsaufwand mit der Produktion und ggf. den Fremdfirmen, die die Arbeiten durchführen sollen
- Durch den vorbeugenden Ersatz von Baugruppen gibt es keine Kenntnis über das tatsächliche Ausfallverhalten der technischen Anlage. Dies kann zu falsch gewählten Wartungsintervallen und Arbeitsinhalten führen
- Häufigere Störung des Produktionsablaufs, weil Wartungsfenster benötigt werden
Darauf ist bei der Umsetzung zu achten
Bei der Umsetzung einer vorbeugenden Instandhaltung sind eine Vielzahl an weiteren organisatorischen und prozessualen Themen zu berücksichtigen. Je nach Ausgangssituation im Unternehmen können diese Themen stark variieren. Daher sind im Folgenden auch nur einige Punkte beispielhaft aufgezählt:
Wartungsplanung und -organisation
Basierend auf der aktuellen Instandhaltungsstrategie erstellen Sie als erstes einen Wartungsplan. Der Wartungsplan umfasst u.a.:
- Technischen Platz: Eindeutige Identifizierung der Anlage oder Baugruppe, auf die sich der Wartungsplan bezieht.
- Wartungsintervall: Das Intervall kann kann sich auf einen Zeitraum beziehen (z.B. jede Woche) oder einen Leistungsparameter (z.B. Anzahl der Betriebsstunden).
- Wartungsinhalt: Erstellen Sie eine genaue Beschreibung der durchzuführenden Wartungstätigkeiten.
- Ressourcen: Legen Sie fest, welche Personalqualifikation benötigt wird und welche Werkzeuge, Messmittel und Ersatzteile zur Verfügung gestellt werden müssen.
- Vorgabezeit: Bestimmen Sie den benötigten Personalaufwand zur Durchführung der Wartung.
Ein detaillierter Wartungsplan trägt zu effizienten Prozesse und kürzeren Stillstandsdauern bei.
Abstimmen von Wartungsfenstern
Das Abstimmen von Wartungsfenstern spielt eine entscheidende Rolle in der erfolgreichen Umsetzung der vorbeugenden Instandhaltung. Wartungsfenster sind geplante Zeiträume, in denen Maschinen gewartet, inspiziert oder repariert werden. In der Regel müssen die Maschinen außer Betrieb genommen werden, damit eine Wartung durchgeführt werden kann. Um die Produktion möglichst wenig zu beeinträchtigen ist es zweckmäßig, wenn Sie die benötigten Wartungsfenster bereits fest in den Produktionsplan einplanen und idealerweise auch diese einhalten. Idealerweise liegen die Wartungsfenster in Phasen geringer Produktionsauslastung oder während geplanter Stillstände.
Die frühzeitige Einplanung der Wartungsfenster bietet darüber noch die Vorteile, dass :
- die Abstimmung mit Lieferanten vereinfacht wird
- die benötigte Ersatzteile bereitstehen
- die Personalressourcen besser eingeplant werden könne
Einbindung der Maschinenbediener und Schulung
Wichtig ist festzulegen, wer die Wartungsarbeiten durchführen soll. Je nach Komplexität der Arbeit, Qualifikation der eigenen Mitarbeiter, Verfügbarkeit von ausreichend Personalressourcen können die Arbeiten von den Maschinenbedienern (Autonome Instandhaltung), den eigenen Instandhaltern oder auch externen Instandhaltungsdienstleistern durchgeführt werden.
Unabhängig vom Durchführenden, ist immer auf eine gute Personalqualifikation zu achten. Denn: Eine vorbeugende Instandhaltungsstrategie ist nur so gut wie das Personal, das diese umsetzt. Daher sollten regelmäßige Schulungen durchgeführt werden und dabei sollte insbesondere auf die Tätigkeiten eingegangen werden, die in der Vergangenheit nicht optimal umgesetzt wurden und die ggf. zu Folgeschäden geführt haben.
Kontinuierliche Verbesserung
Eine erfolgreiche vorbeugende Instandhaltung basiert auf der kontinuierlichen Verbesserung. Dies bedeutet, dass Sie regelmäßig Ihre Instandhaltungsstrategie aber auch die Wartungsprozesse überprüfen und optimieren sollten. Mittels einer methodischen Vorgehensweise zur Ableitung der Instandhaltungsstrategie können Sie den Umfang einer vorbeugenden Instandhaltung bestimmen. Mögliche Vorgehensweisen zur Ableitung der Instandhaltungsstrategie sind z.B. FMEA oder RCM. (hier mehr zum Thema)
Was ist der Unterschied zwischen vorbeugender und vorausschauender Instandhaltung?
Beide Instandhaltungsstrategien sind proaktiver Natur. Jedoch wird bei der vorbeugenden Instandhaltung auf Basis der historischen Daten das Degradationsverhalten der Anlage abgeleitet und darauf basierend die optimalen Wartungsintervalle und -inhalte festgelegt. Bei der vorausschauenden Instandhaltung wird auf Basis des tatsächlichen Anlagenzustands abgeleitet, welche Wartungsarbeiten wann durchzuführen sind. Der Anlagenzustand wird z.B. durch verbaute Sensorik in Echtzeit überwacht. Durch mathematische Verfahren wird der ideale Zeitpunkt zur Durchführung der Wartungsarbeiten bestimmt. So kann der ideale Zeitpunkt zur Durchführung frühzeitig mit der Produktion abgestimmt und die Auswirkung auf den Produktionsbetrieb minimiert werden.
Fazit
Die vorbeugende Instandhaltung ist eine entscheidende Strategie, um die Verfügbarkeit von Produktionsanlagen zu maximieren und gleichzeitig die Kosten zu senken. Um dies zu erreichen, sind eine klare Wartungsplanung, die Abstimmung von Wartungsfenstern, eine differenzierte Einbindung von Maschinenbedienern und externen Instandhaltungsdienstleistern und der KVP wichtig. Auch wenn die Implementierung dieser Strategie anfängliche Kosten und einen erhöhten Zeitaufwand erfordert, sind die langfristigen Vorteile in Form von reduzierten Ausfallzeiten, höheren Sicherheitsstandards und einer längeren Lebensdauer der Maschinen erheblich. Wenn Sie in Ihrem Unternehmen noch keine vorbeugende Instandhaltungsstrategie eingeführt haben, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, damit zu beginnen.